Lebenslauf

Aus dem Leben von Johannes Wüsten

Am 4. Oktober 1896 wird Johannes Wüsten in Heidelberg geboren, sein Vater Ewald (1867 - 1926) war Prediger einer freikirchlichen Gemeinde, seine Mutter Frieda, geborene Weingärtner, (1867 - 1936) Tochter eines Schuhfabrikanten. Nach dem ältesten Sohn bringt sie noch fünf weitere Kinder zur Welt: Ewald (1898 - 1960), Elisabeth (1900), Friedrich (1903), Theodor (1906) und Ernst (1909 - 1965).

Im Jahre 1897 zieht die Familie nach Görlitz. Johannes besucht hier das Gymnasium, scheidet in der Obertertia wegen Teilnahme an einem Revolverschießen aus. Er nimmt eine Tischlerlehre auf, muss sie aber aus gesundheitlichen Gründen abbrechen.

Eine erste künstlerische Ausbildung erhält er bei dem Maler Otto Modersohn in Worpswede bei Bremen.

Im Sommer 1916 wird Johannes Wüsten einberufen, an der Front wird er zweimal verwundet und verbringt mehr als ein Jahr im Lazarett. Nach Ende des ersten Weltkrieges zieht er nach Hamburg und versucht, sich seine Existenz als bildender Künstler aufzubauen. In dieser Zeit wendet er sich dem Expressionismus zu. Es entstehen zahlreiche Gemälde, Pastelle, Holzschnitte und auch erste literarische Arbeiten.

Nach einer Studienreise durch Holland kehrt er 1922 nach Görlitz zurück. Hier beteiligt er sich an einer Manufaktur für Keramik und Fayencen, die bis 1925 besteht. Im gleichen Jahr wird er Vorsitzender der "Görlitzer Künstlerschaft", übernimmt eine Zeichenklasse an der neu gegründeten Malschule und schreibt Kunstkritiken, historische Beiträge, aber auch Satiren und Sportberichte für den "Neuen Görlitzer Anzeiger".

Im Jahre 1926, nachdem zwei frühere Ehen scheiterten, heiratet er Dorothea Koeppen, die wie er als Malerin und Keramikerin tätig war, Kindergeschichten schrieb und illustrierte. Im Sommer 1927 reist er nach Dalmatien, im gleichen Jahr beginnt er die Stichtechniken zu studieren und konzentriert sich in der Folgezeit auf den Kupferstich. Es entstehen zwölf Illustrationen zu Theodor Storms Novelle "Aquis submersus", der Band "Blutproben", eine Sammlung satirischer Kupferstiche. Bis zum Jahre 1932 werden es 90 Stiche. Johannes Wüsten steht an der Spitze der "Görlitzer Stecherschule", zu der u.a. seine Schüler Dorothea Koeppen, Lotte Wegeleben und Josef Bankay gehören. Ihm kommt das Verdienst zu, die alte, von Albrecht Dürer zur Meisterschaft entwickelte Technik wieder zu neuem Leben erweckt zu haben.

Früh erkennt Johannes Wüsten die Gefahren der aufziehenden Nazibewegung und warnt mit den Mitteln seiner Kunst vor dem drohenden Unheil. Im Jahre 1932 wird er Mitglied der KPD. Nach dem Machtantritt der Nazis gehört er der Leitung einer Görlitzer Widerstandsgruppe an. Im Frühjahr 1934 muss er emigrieren, da er verhaftet werden soll. In Prag schließt er sich dem Schriftstellerverband der deutschen Emigranten an, arbeitet als Autor und Illustrator für antifaschistische Zeitschriften. Hier lernt er Lotte Schwarz kennen, eine Journalistin und Volkswirtschaftlerin, die 1936 aus Moskau in ihre Heimatstadt Prag zurückgekehrt war. Er verliebt sich in Lotte Schwarz und geht mit ihr und deren Tochter im Juli 1938 nach Paris. Im Herbst 1939, nachdem sich Deutschland und Frankreich im Kriegszustand befinden, wird er interniert. Aus dem Lager St. Nazaire an der Atlantikküste versucht er am 19. Juni 1940 vergebens nach Großbritannien zu gelangen, wohin Dorothea und sein jüngster Bruder Ernst emigrieren konnten. Er entschließt sich, nach Paris zurückzukehren, wo er hofft, untertauchen zu können. Schwer erkrankt, bleibt ihm Ende 1940 nur noch die Möglichkeit, ein deutsches Militärlazarett aufzusuchen, da französische Krankenhäuser ihn nicht aufnehmen durften. Man pflegt ihn gesund und übergibt ihn der Gestapo. Im Frühjahr 1941 wurde er in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit überführt. Hier beginnt am 11. März 1942 der Prozess vor dem "Volksgerichtshof". Die Nazis, denen nur ein kleiner Teil seiner antifaschistischen Arbeiten als "Beweismaterial" vorliegt, verurteilen ihn zu 15 Jahren Zuchthaus.

In der Haft entstehen die letzten erhaltenen Zeichnungen. Im Alter von sechsundvierzig Jahren stirbt Johannes Wüsten am 26. April 1943 in Brandenburg-Görden auf der Krankenstation des Zuchthauses an offener Tuberkulose.

Er hinterlässt ein vielseitiges und umfangreiches bildnerisches und literarisches Lebenswerk, darunter Ölgemälde, Zeichnungen, Grafiken, mehrere historische Kurzdramen und Erzählungen. Literarische Manuskripte, darunter der historische Roman "Rübezahl", und ein Teil der Kupferplatten überstehen die Besatzungszeit, da zwei Franzosen sie in einer Kiste vergraben aufbewahren. Das Schriftstellerehepaar Jeanne und Kurt Stern bringt diesen Teil des Nachlasses nach 1945 zu Dorothea Wüsten, die erst nach dem Krieg vom Schicksal ihres Mannes erfuhr. Nach 1945 erscheinen der Roman "Rübezahl" in mehreren Auflagen, ebenso seine Malergeschichten und dramatische Werke. Ausstellungen mit Bildern und Kupferstichen finden in Berlin, Leipzig, Hamburg, Görlitz und Heidelberg statt. Im Jahre 1976 eröffnen die Städtischen Kunstsammlungen Görlitz aus Anlass seines 80. Geburtstages eine ständige Ausstellung. Sie wird im Jahr 2001 aufgelöst. Mit mehreren Ausstellungen ist Johannes Wüsten in den folgenden Jahren in Görlitz präsent. Eine ständige Heimstatt finden einige seiner Bilder und Kupferstiche erst im Jahre 2015, als am 16. Januar im Kaisertrutz mit der Eröffnung der „Galerie der Moderne“ auch Werke von Dorothea Wüsten, Lotte Wegeleben und Joseph Bankay in dieser ständigen Ausstellung gezeigt werden. Die Görlitzer Straße „Kahle“, in der Johannes Wüsten lebte, trägt heute seinen Namen. Eine Plastik des Bildhauers Theo Balden erinnert in der Johannes-Wüsten-Straße an den Künstler.