Der Reiter

Erschienen in "Drei Nächte des Jan Bockelson und anderes aus dem Erzählwerk", Greifenverlag zu Rudolstadt 1972 sowie in "Das Leben einer Buhlerin und andere Malergeschichten", Verlag Bruno Henschel und Sohn, Berlin 1951)

Das Hebelrad knirschte unter den ziehenden Armen, den stemmenden Schenkeln. Zoll um Zoll zwängte sich die dicke Filzlage durch die eisernen Walzen. Dann, mit einem Ruck, entspannte sich die Pressung, und die beiden Männer atmeten erleichtert auf. Des älteren lange Locken fielen nach vorn, als er das noch feuchte Büttenblatt vorsichtig ablöste, seine scharfe Habichtsnase zog tiefe Falten um die großen Augen. Der Junge wusch sich indessen die Hände im Bottich und fragte von dort her, ob man die Korrekturen am Pferdefuß noch sähe, kämmte sich darauf sorgfältig das Haar und bestrich die Wangen mit Lavendel. Erst dann trat er nahe, sah dem anderen über die Schulter und drückte dessen Arm: "Ah, welche Harmonie! Diesen Reiter ficht die Welt in nichts mehr an, der Tod wie auch der Teufel sind dabei in der Erfindung unserer bestgerühmten Meister würdig..."
"Was für ein Psalmodieren", wehrt der Ältere ab und setzt, während der Bursche schon wieder vor dem Spiegel steht und sich Rosenwasser hinter die Ohren tupft, ein wenig gequält dazu: "Ich fürchte manchmal fast, einem Irrwisch nachzujagen mit meinem Maß- und Zahlenwerk." Da aber dreht sich der Jüngere um und ist nun ganz ernst: "Du hast die deutsche Kunst zu einer Wissenschaft erhoben - der Maler ist nicht mehr dem Zufall preisgegeben - durch dich, Albrecht. Hat dich im übrigen mein Urteil je betrogen? Ergo, so laß mir meine Art. Ich könnte auch ein angesehener Maler sein, wenn ich nicht grade dich zum Bruder hätte. Was aber soll Hans Dürer neben Albrecht?" Schon draußen, vor dem Fenster, ruft er: "Mein Gott, die Agnes will noch eine große Passion!" und macht erschrockene Augen. ,,Geh nur", winkt Albrecht lächelnd.
Noch eine Weile schweigt dieser vor der eigenen Leistung, als sei sie eine fremde. Die schrägen Sonnenstrahlen fluten in die Werkstatt und blitzen auf den Grabsticheln. Der ausgeschabte Kupferstaub flimmert um die spiraligen Späne, die wie totes Gewürm herumliegen. Langsam packt Albrecht seine Wasserfarben in die Ledertasche. Auf dem Markt läuft er an seiner Bude fast vorbei. Frau Agnes stemmt die vollen Arme in die Seiten: "Ei, träumt mein lieber Herr bereits am hellen Tag?" Dann sachlich und leise: "Weißt du, das ganze Kupferstechen lohnt nicht recht. Ich habe heute wieder an Holzschnitten das Zehnfache verkauft. Mach mir nur viel Marienbilder und ohne Heiligenschein -so wollen sie es jetzt." Schon ist sie wieder geschäftig...